Auslöser für diesen Artikel ist die langjährige öffentliche Diskussion, ob Scientology verfassungsfeindlich ist und die Information des Spiegel-Magazins vom November 2013, dass das Bundesamt die Beobachtung von Scientology auf ein Minimum reduzieren will.
Bisher habe ich viele Schriften und Bücher des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard gelesen und nirgends eine Verfassungsfeindlichkeit feststellen können. Im Gegenteil: Hubbard sprach sich für Bürgerrechte und gegen Polizei- und Überwachungsstaaten aus.
Scientology – Verfassung und Staat
Ich denke, dass die unterstellte Verfassungsfeindlichkeit ein Resultat der Sektendebatte in Deutschland ist. Über Jahre hinweg haben kirchliche und staatliche „Sektenbeauftragte“ ein Gedankengebäude samt Sprache über Neue Religiöse Bewegungen, zu denen auch Scientology zählt, aufgebaut.
1997, also fast 30 Jahre nachdem die Scientology-Kirche in Deutschland existiert, wurde sie von der Innenministerkonferenz als „Form des politischen Extremismus“ erkannt. Eine Feststellung, die zuerst erstaunt, weil Scientology nicht im Bundestag vertreten ist. Keine Partei muss sie als Konkurrenz fürchten! Diese Erkenntnis reichte jedoch als Rechtfertigung aus, um Scientology vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.
Jahr für Jahr verstrich und es sammelten sich „Pannen“ bei der Beobachtung an. In Berlin wurde 1998 der Polizeidirektor Otto Drexler von einem V-Mann fälschlicherweise als Scientologe geoutet. Aber auch im Ausland gab es einen „Zwischenfall“; 1999 wurde ein deutscher Verfassungsschützer verhaftet, der gegen Scientology spioniert hatte.
Auch warnte der Verfassungsschutz turnusgemäß in seinen Berichten vor Scientology. Diese Verfassungsschutzberichte wurden immer wieder durch Aussagen von Politikern flankiert. Angeblich hätte man jetzt Beweise, um ein Verbotsverfahren einzuleiten. Doch es passierte wieder nichts.
Schließlich schien 2008 ein Verbotsverfahren gegen Scientology in greifbarer Nähe gerückt zu sein, als das Oberverwaltungsgericht Münster die Beobachtung der Scientology durch den Verfassungsschutz für rechtens erklärte. Das Gericht hatte Anhaltspunkte bei Scientology gefunden, die eine Beobachtung durch die Schlapphüte rechtfertigte.
Im November 2008 erwies sich jedoch diese Gerichtsentscheidung für den Verfassungsschutz als Pyrrhussieg, als das Narichtenmagazin Focus berichtete, dass es kein Verbotsverfahren gegen Scientology geben wird. August Hanning, der damalige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, wird im Focus mit den Worten zitiert:
Bevor wir ein Ermittlungsverfahren einleiten, brauchen wir tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass eine Verfassungswidrigkeit vorliegt… Die Verfassungsschutzämter sind ganz überwiegend der Auffassung, dass es diese zureichenden Anhaltspunkte nicht gibt.
Es ist interessant festzustellen, dass Anhaltspunkte für den Verfassungsschutz auch vorhanden waren, als man sich entschied, Politiker der Linken zu überwachen. Der Linke-Politiker Bodo Ramelow klagte gegen seine jahrzehntelange Überwachung und gewann Anfang Oktober 2013 vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG). Als Folge dieses Gerichtsentscheides knickte der Verfassungsschutz im März 2014 ein und stellte die Beobachtung der Bundestagsabgeordneten der Linke-Partei ein.
Ich denke nicht, dass dies ein Einzelfall ist. Der Inlandsgeheimdienst ist zum Spielball politischer Interessen geworden.
Noch 2009 wurde in Baden-Württemberg von der FDP und CDU darüber debattiert, ob die Zeugen Jehovas vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollten. Doch daraus wurde nichts. Zu diesem Zeitpunkt hatte diese Religionsgemeinschaft den Körperschaftsstatus in Berlin inne, was einer Gleichstellung mit den großen Kirchen bedeutet.
Untenstehend ein YouTube-Video (Scheibenwischer – 19.04.2007) in dem der ehemalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble parodiert wird. Die Parodie zeigt auf, wie Geheimdienste und ihr oberster Dienstherr über Terror und Verfassungsfeinde denken.
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